Donnerstag, 2. Juni 2016

Tacheles geredet!


Meine Arbeit im Jugendclub war nicht schwer, aber langweilte mich. Wieder einmal kamen mir Zweifel, ob eine sozialpädagogische Tätigkeit wirklich das Richtige für mich war. Und so schrieb ich in einen Bericht für die das Anerkennungsjahr begleitende Praktikumsgruppe: "Ich verstehe mich in dem Jugendclub in erster Linie als Missionar, erst in zweiter Linie als Sozialpädagoge!" Was vielleicht etwas übertrieben, aber durchaus meinem inneren Gefühlsleben und auch gewisser Aktivitäten im Club entsprach.

Ich schrieb diesen Bericht im Büro des Jugendclubs, als ich plötzlich dringend in den Jugendbereich gerufen wurde. Ich packte den Bericht in eine Plastikhülle und ließ ihn auf dem Schreibtisch liegen. Als ich etwa eine Viertelstunde später ins Büro zurückkam, empfing mich die Leiterin mit einer eisigen Miene: "Ich möchte dich zu einem Gespräch in den Aufenthaltsraum bitten! Geh schon mal vor! Ich komme gleich!"

Natürlich spürte ich, dass etwas im Busch war, konnte mir aber nicht erklären, was los war. Ich ging in den Aufenthaltsraum und wartete dort. Etwa zwei Minuten später kam die Leiterin zusammen mit Ulrike, ihrer rechten Hand, in den Raum. Sie setzte sich an den Tisch, während Ulrike stehen blieb, und knallte meinen Bericht auf den Tisch: "Erkläre mir bitte den Satz: Ich verstehe mich in erster Linie im Jugendclub als Missionar!"

Ich schaute sie ungläubig an: "Du hast meinen Bericht aus der Hülle geholt? Schon mal was von Privatsphäre gehört?" Ich war wirklich empört. Eine solche Dreistigkeit war bis dahin nur einmal vorgekommen, als jemand während meiner Jugendzeit in meinem Tagebuch gelesen hatte. "Nein", mischte sich Ulrike ein, " ich war das. Ich habe die Plastikhülle dort liegen sehen und habe geschaut, wem sie gehört!" "Und hast sie, als du sahst, dass es ein Bericht von mir war,  drin gelesen und bist gleich damit zur Chefin gelaufen. Klasse!" Ich war stinksauer, aber natürlich auch beunruhigt. was würde nun geschehen?

"Was geschehen ist, ist geschehen! ... Also, was hat es mit dem Satz auf sich?" sagte Christiane , die Leiterin. Trotzig antwortete ich: "Nun, ich denke, das dies doch wohl deutlich genug ist, oder? Aber es ist meine Privatsache. Dieser Bericht ist nicht für Dich bestimmt!"

Sie schaute mich ein paar Sekunden mit eisigem Blick an: "Ich rede jetzt mal Tacheles! Du bist hier als Sozialpädagoge eingestellt. Nicht als christliche Missionar. Ich untersage dir hiermit jegliche Aktivitäten dieser Art. Ansonsten fliegst du! Haben wir uns verstanden?"   

Ich nahm den Bericht an mich, steckte ihn sorgfältig wieder in die Hülle und sagte dann: "Ich werde mich an deine Anweisung halten!" "Gut!", sagte Christiane, "ich hoffe, du hältst dich dran!" Sie erhob sich und verließ zusammen mit Ulrike den Raum.

Donnerstag, 12. Mai 2016

Erst die Pflicht, dann die Kür!

 Folge 32 meiner autobiografischen Geschichte

Im Herbst des Jahres 1986 begann für mich nun ein neuer Abschnitt. Im begann nun mein Anerkennungsjahr für Sozialpädagogik in einem Düsseldorfer Jugendclub. Genauer gesagt im Bereich der 8-14 Jährigen.

Ich empfand das eher als eine Pflicht als ein Vergnügen. Nachdem ich mehr oder weniger lustlos - aber letztlich doch erfolgreich - durch`s Studium gequält hatte, sollte es nun nicht an der letzten Hürde, der staatlichen Anerkennung meines Diploms, scheitern. Und so war ich voll guter Vorsätze, als ich meine Arbeit begann.

Es ist nicht meine Art - schon gar nicht nach so vielen Jahren - nachzukarten. Aber die ganze Sache stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Ich fühlte mich sehr schnell deplaziert in der Einrichtung. Etwas überspitzt formuliert: Den Vormittag verbrachte ich mit Blumengießen, den Nachmittag mit ein wenig Hausaufgabenbetreung, Überwachen und Ermahnen der Jugendlichen. Zeitweise auch dem Verkauf von Süßigkeiten und Getränken. Meist war ich heilfroh, wenn der Clubbereich um 18.30 Uhr schloß.

Ganz offensichtlich war es die "Philosophie" der Einrichtung die Jugendlichen mehr oder weniger machen zu lassen, worauf sie Lust hatten. Aber es wurden wenig kreative Angebote gemacht. Und ich passte mich einfach dieser Vorgabe an. Mag sein, dass dies ein Fehler war ... aber es schien mir damals der leichtere Weg zu sein! Warum mich sonderlich anstrengen, wenn es die anderen Mitarbeiter im Club auch nicht taten!

Während ich mich also tagsüber schonte legte ich dann abends nach der Arbeit richtig los. Meist war ich zusammen mit Sven unterwegs, manchmal bis spät in die Nacht hinein. Was dann auch nicht weiter tragisch war, da die Arbeit ja eh erst um 10.30 Uhr begann.

Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr genau an die Einzelheiten erinnern, aber wir erlebten viel ... und genau wie Sven begann ich auch (prophetische)Weissagungen zu geben ... erst privat, später auch bei Huberts Wochenendtreff und in der Gemeinde. Und Vieles davon stimmte auffallend. Ich werde später da mal ein prägnantes Beispiel anführen.

Also ich halte jetzt erst einmal fest. In jener Zeit erfüllte ich tagsüber die Pflicht, am Abend und am Wochenende lief ich "Kür"!