Mittwoch, 25. Februar 2015

Wer nicht hören will muss (manchmal) fühlen


Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 19:(immer noch in 1985)

Es ergab sich dann so, dass im Jesus-Haus Renovierungsarbeiten anfielen. Und mit einer Reihe weiterer Freiwilliger half ich dort zwei Wochen lang mit. Eine schöne Zeit, wo ich einige Geschwister etwas näher kennenlernte. Etwas gemeinsam tun verbindet doch mehr als nur miteinander reden.
       Ich ging schon seit einiger Zeit in den Hauskreis von Thomas und Silke, die ja bei meiner Bekehrungsgeschichte eine gewisse Rolle gespielt hatten. Sie waren ein wenig jünger als ich, aber schon länger im Glauben. Ich mochte sie gut leiden und zudem wohnten sie im Nachbnarstadtteil, so war meine Wahl auf ihren Hauskreis  gefallen.
Außerdem gehörten noch Ulli und Susanne, und Frank, ein Ältester der Gemeinde, und seine Frau (ich habe den Namen vergessen) zum engeren Kreis. Und einige Andere, die mir aber nicht in Erinnerung geblieben sind.
      Allerdings erinnere ich mich an einen Neubekehrten, der irgendwann auftauchte und von da an regelmäßig kam. Eines Abends erschien er mit Gipsbein. Und das ist die Geschichte, die er dazu erzählte.
        Er gehörte wohl zu denjenigen Menschen, die immer etwas tun müssen. Irgendwie nicht einfach nur dasitzen und Nichtstun können. Und so war er gerade wieder in seinem Elternhaus aktiv und wollte gerade in den Keller hinunter, als er deutlich eine innere Stimme zu sich sagen hörte: Setzt dich hin!
        Er stutzte einen Moment, setzte dann aber seinen Weg fort. Nach zwei oder drei Treppenstufen kam er ins Stolpern, stürzte den Rest der Treppe hinunter und brach sich ein Bein. „Tja,“ sagte er einsichtig, „wer nicht hören will, muss halt fühlen!“ Er lächelte leicht gequält: „Jetzt habe ich genug Zeit zum Sitzen und Nachdenken!“
        Mich beeindruckte die Geschichte sehr. Ich hatte ja auch schon erlebt, dass Gott manchmal recht drastisch einen korrigieren konnte. Aber es eben auch Sinn machte. Und dies hatte der junge Mann offensichtlich auch begriffen. 

Wie aber sollte es nun weitergehen? Ich war ratlos. Und verabredete mich mit Thomas zu einem Seelsorge-Gespräch. Er hörte sich meine Angelegenheit an und sagte dann plötzlich: „Du solltest die Diplomarbeit noch einmal schreiben!“ Ich schaute ihn verblüfft an und widersprach: „Nein, ich denke nicht! Diese Tür hat Gott zugeschlagen!“
        Er schüttelte den Kopf: „Du solltest es tun!“ Ich wollte gerade wieder aufbegehren, als er hinzufügte: „Wenn wir hier ein Seelsorgegespräch haben, dann ist Jesus dabei. Und ich spüre deutlich, dass du die Diplomarbeit wiederholen sollst!“
    Was sollte ich sagen? Er war im Hören auf Gottes Stimme weit erfahrener als ich. Ich entschied seinem Rat zu vertrauen.

Montag, 23. Februar 2015

Ein Fingerzeig


Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 18:
Am nächsten Tag informierte ich telefonisch meine Eltern, dass ich bei der Diplomarbeit durchgefallen war. Natürlich waren sie nicht gerade begeistert. „Und“, fragte mein Stiefvater, „wirst du die Arbeit noch einmal schreiben?“ Die Frage hatte ich natürlich erwartet und beschlossen, nicht groß drum herum zu reden. „Du“, sagte ich, „ehrlich gesagt weiß ich das noch gar nicht so genau. Ich kann mir auch gut vorstellen, es dabei bewenden zu lassen.“
     Ein Moment des Schweigens am anderen Ende der Leitung. Dann sagte er: „Nun gut, das ist dein Leben und natürlich deine Entscheidung. Ich werde Dir bis auf Weiteres die Miete überweisen, aber für deinen sonstigen Lebensunterhalt wirst du ab nächsten Monat dann schon selber aufkommen müssen.“„Ja, danke“ entgegnete ich, „ das ist fair!“ „Überleg dir das“, setzte er noch einmal an, „falls du die Diplomarbeit noch einmal schreibst, erhältst du auch wieder die volle Unterstützung.“
    Das Gespräch hatte den erwarteten Verlauf genommen. Die Entscheidung lag nun bei mir. Sollte ich jetzt Gelegenheitsarbeiten nachgehen? Oder doch die Diplomarbeit wiederholen? Oder gab es vielleicht noch eine ganz andere Lösung? Was war der Wille Gottes in dieser Situation?
      Plötzlich fiel mir ein, dass am darauffolgenden Samstag ein berühmter Prediger ins Jesushaus kommen würde. Solche Männer schienen immer einen besonderen Draht nach oben zu haben. Vielleicht kann ich ihn ja um ein Gebet bitten? Und vielleicht lässt Gott mir dann ja durch ihn eine Antwort zukommen.
                                                        
An dem darauf folgenden Samstagabend ging ich dann tatsächlich nach der Predigt zu jenem bekannten Prediger, dessen Name ich allerdings hier nicht nennen möchte. Ich erklärte ihm kurz meine Situation und bat ihn für mich zu beten. "Ich hätte gerne eine Antwort von Gott, was ich nun tun soll", sagte ich.
      Zu meiner großen Überraschung machte er gar keine Anstalten zum Gebet, sondern griff stattdessen hinter sich. und hielt mir seine in schönes Leder eingebundene Bibel hin. „Da brauchen wir Gott gar nicht erst zu fragen. Die Antwort steht schon hier geschrieben!“
      Ich blickte ihn fragend an. Machte er Witze? „Ja“, meinte er, „die Antwort steht im Brief des Paulus an die Thessalonicher.“ Nach diesen Worten schlug er seine Bibel auf, blätterte kurz darin herum und hielt sie mir dann hin. „Hier lies vor! 2.Thessalonicher 3 Vers 10!“ Ich nahm die Bibel und las vor: Denn als wir bei euch waren, haben wir euch die Regel eingeprägt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. „Siehst du“, meinte er, „da hast du deine Antwort.“
      Für einen Moment war ich wie vor den Kopf geschlagen und überlegte, wie ich reagieren sollte. Mal abgesehen von seinem ziemlich arroganten Verhalten schien mir dies keine Antwort auf meine Frage zu sein. Es war ja nicht so, dass ich nicht arbeiten wollte. Meine Frage hatte ja gelautet, ob ich Arbeiten gehen sollte.
     Ich entschied mich, nun keine Diskussion mit ihm zu beginnen. Vielleicht war ihm ja genau diese Antwort gerade eben eingegeben worden. Und so sagte ich nur: „Gut, danke schön!“ und gab ihm seine Bibel ohne einen weiteren Kommentar zurück.
                                                       
Am Montagmachte ich mich dann vormittags auf den Weg zur studentischen Jobvermittlung. Wenn der Prediger wirklich mir den göttlichen Willen verkündet hatte, würde ich hier vermutlich auch einen Job finden.
     Ich musste nicht lange warten, bis ich aufgerufen wurde. Und dann ging Alles ganz schnell. „Sie kommen wie gerufen“, sagte der Sachbearbeiter. „Gerade eben ist ein Arbeitsangebot für zwei Wochen eingegangen.“
      Wenig später radelte ich mit meinem Fahrrad in Richtung Hafen. Hat der Prediger also doch recht gehabt, ging es mir durch den Kopf.
     Der Vertrag mit der Firma war schnell geschlossen und der Personalleiter führte mich persönlich an meinen Arbeitsplatz. In einer großen Lagerhalle saßen an mehreren langen Tischreihen zumeist ältere Männer, die nun von ihrer Arbeit aufschauten.
     „So“, sagte der Personalleiter, als wir in der vorderen Reihe an einem leeren Tisch angekommen waren. „Das ist für die nächsten zwei Wochen ihr Arbeitsplatz. Herr Gunter“, er zeigte auf den Mann am rechten Nebentisch, „wird Ihnen alles Weitere erklären.“ Nach diesen Worten drehte er sich um und bewegte sich wieder Richtung Ausgang.
     Einen Moment lang stand ich etwas irritiert da, dann hielt ich Herrn Gunter die Hand hin und sagte: „Hallo, mein Name ist Heiner!“
                                                      
Meine Aufgabe - und die der Anderen - bestand nun darin, kleine Baukästen genau nach Vorschrift zusammenzubauen und sie dann in eine große Kiste hinter mir abzulegen. Einen Baukasten schaffte man in etwa eine Viertelstunde, so dass vier Baukästen in der Stunde der übliche Schnitt waren.
     Herr Gunter neben gab mir anfangs einige praktische Tipps. Und als er sah, dass ich es verstanden hatte, stellte er die üblichen persönlichen Fragen. Wie alt ich sei, was ich sonst so mache usw. Und natürlich so laut, dass auch die Neugier der Anderen gestillt wurde. Denn für die war der Neue eine willkommene Abwechslung.
     Nachdem ich einige Auskunft gegeben hatte, begann er mir der Reihe nach die Vornamen und die die Dauer der Firmenzugehörigkeit der im Raum Anwesenden zu nennen. Ich staunte nicht schlecht, dass einige schon über 30 Jahre in der Firma beschäftigt waren.
     „Und“, fragte ich, „wird das denn nicht auf Dauer langweilig, immer diese Baukästen zusammenzubauen?“ Herr Gunter und einige Andere lachten. „Nein, das mit den Baukästen ist doch nur eine auf zwei Wochen befristete Auftragsarbeit. Danach gibt es dann einen anderen Auftrag. “ Ein Anderer ergänzte: „Es ist natürlich schon etwas stupide, aber irgend wovon müssen wir ja leben. Und der Job hier ist so gut oder schlecht wie jeder andere, der für uns in Frage käme.“
     Der Nachmittag verging bei Arbeit und angeregtem Gespräch wie im Fluge. Hat richtig Spaß gemacht, dachte ich, als ich mich auf dem Heimweg befand. Und ich war mir sicher: Die zwei Wochen werde ich locker überstehen.
                                                      
Am nächsten Morgen fuhr ich in aller Frühe los, so dass ich pünktlich um 7 Uhr an meinem Arbeitsplatz saß. Meine Euphorie vom Vortage war verflogen. Aber das konnte auch an der Tageszeit liegen. Die war nun wirklich nicht unbedingt mein Fall.  Aber auch die Anderen schienen ihr Interesse an mir verloren zu haben. Jeder arbeitete stumm vor sich hin. Nur hin und wieder ein kurzer Wortwechsel.
     Nachdem ich drei Bausätze zusammengebaut hatte, begann mich die Arbeit zu langweilen. Es war einfach eine zu stupide Arbeit, wenn man ansonsten dabei keine Ablenkung hatte.
     Aber gut, ich bin ja nicht zu meinem Vergnügen hier, dachte ich und schaltete auf den Durchhaltemodus um. So schaffte ich es dann einigermaßen gut in die Mittagspause.
 
Dann aber am Nachmittag brachen bei mir alle Dämme. Ich quälte mich regelrecht durch die Stunden. Auch meine ständigen flehentlichen Blicke zur großen Wanduhr halfen nicht. Die Zeit verstrich elendig langsam. Dann endlich gegen 16 Uhr ertönte die erlösende Schlusssirene.
   Auf dem Heimweg gingen mir die verschiedensten Gedanken durch den Kopf: Wenn die Arbeit Gottes Wille wirklich ist, wieso geht es mir auf einmal so schlecht damit? Will Er mich prüfen? Oder mir zeigen, dass nun der Ernst des Lebens begonnen hat? Aber wie soll ich die nächsten Tage überstehen? Allein schon bei dem Gedanken an den nächsten Morgen graute es mir. Erneut würden acht quälende Stunden vor mir liegen.
    „Ach was soll`s!?“ sagte ich zu mir. „Ich fahr heute Abend erst einmal zum Hauskreis von Silke und Thomas. Vielleicht komme ich ja da auf andere Gedanken.“
                                                          
Der Abend im Hauskreis verlief für mich nicht gut. Ich war von Anfang an irgendwie genervt und das Meiste rauschte einfach so an mir vorbei. Immer wieder ging mir meine Arbeitssituation durch den Kopf.
    Dann, nach der Andacht und einer kleinen gemeinsamen Gebetszeit, begann der sogenannte gemütliche Teil des Abends. Ich hatte mich gerade mit meinem Kartoffelsalat auf`s Sofa verzogen, als sich plötzlich Silke neben mich setzte. Sie lächelte mich an und sagte: Wie geht`s dir, Heiner?“
     Ich stocherte mit der Gabel im Salat rum und entgegnete: „Wie soll`s schon gehen? So wie immer!“ „Wirklich?“, entgegnete sie. „Also auf mich wirkst du heute Abend so, als wenn dir irgendwie mächtig der Schuh drücken würde. Du wirkst ziemlich gereizt und abwesend. Ganz anders als sonst.“
     Okay, sie hatte mich durchschaut! Und vielleicht half es ja, wenn ich mit irgendjemanden über die ganze Angelegenheit sprach. Ach“, sagte ich, „das ist vermutlich wegen dieser neuen Arbeit. Ich muss mich wohl erst einmal daran gewöhnen.“„Du arbeitest?“, fragte sie erstaunt.
    Und so erzählte ich ihr dann die ganze Geschichte, angefangen vom Scheitern in der Diplomarbeit, dem Gespräch mit meinem Stiefvater, dann dem Rat des Predigers und nun meiner stupiden Arbeit in der Firma. „Tja“, sagte ich“, aber das ist nun mal Gottes Wille. Da muss ich jetzt irgendwie durch."
        Silke, die die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatte, entgegnete ohne zu Zögern: "Nein“, sagte sie, „wenn dir das so schwerfällt, dann ist das bestimmt nicht Gottes Wille. Er überfordert uns nicht!“ Ich schaute sie verblüfft an. Dann wurde ich richtig sauer: „Das ist doch Blödsinn! Natürlich ist das Gottes Wille. Du siehst doch, wie eins zum Anderen passt!“ „Nein“, sagte sie, "da passt in meinen Augen gar nichts! Vielleicht solltest du zuhause noch einmal über diese Sache beten!“
      Das gibt es doch nicht, dachte ich frustriert. Wie kommt sie dazu, so etwas zu behaupten? Eigentlich war sie doch jemand, deren Rat und Meinung ich sehr schätzte. Wenig später verließ ich den Hauskreis und fuhr mit meinem Fahrrad durch die dunkle Nacht nach Hause. 

Am nächsten Morgen stand ich gegen 5.30 Uhr auf. Ich fühlte mich elendig. Während ich mir einen Kaffee zubereitete, fielen mir wieder die Worte von Silke ein: „Frag doch einfach noch einmal bei Gott nach, ob die Arbeit wirklich das Richtige für Dich ist."
     Ich wollte mich gerade schon wieder ärgern, als ich plötzlich dachte: Warum eigentlich nicht? Schaden kann es ja eigentlich nicht. Und so stellte ich die Kaffeetasse erst einmal beiseite und setzte mich hin. Nach einem kurzen Moment der Besinnung betete ich dann: „Herr, ich will jetzt nicht viele Worte machen. Bitte zeige mir, ob die Arbeit das Richtige für mich ist oder nicht. Amen!“
    Einen Moment saß ich noch still da, als mir plötzlich einfiel, dass es kurz vor Monatsende war und ich überhaupt kein Geld mehr hatte. „Ach ja“, begann ich erneut, „und bitte lass mir doch etwas Geld zukommen. Vielleicht durch jemanden, der mir etwas leiht. Amen“                    
     Danach trank ich meinen Kaffee aus und dann machte ich mich auf den Weg. Draußen war es noch dunkel und es regnete. Ich zog mein gelbes Regencape über und fuhr los.

Ich mochte vielleicht ein Drittel des Weges zurückgelegt haben, als ich plötzlich im rechten Augenwinkel ein Auto wahrnahm. Es näherte sich langsam von einer Seitenstraße her. Da ich mich aber auf einer Hauptstraße befand, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Spätestens am Stoppschild würde er schon anhalten.
     Als der Wagen dann Sekunden später ohne Anzuhalten im Zeitlupentempo direkt auf mich zurollte, war es schon zum Reagieren zu spät. Ungläubig nahm ich wahr, wie die rechte vordere Wagenseite knirschend ins Hinterrad sich bohrte. Dann standen Wagen und Fahrrad still.
    Ich stieg vom Rad und starrte fassungslos auf mein völlig demoliertes Hinterrad. Gleichzeitig sprang ein Mann mittleren Alters aus dem Wagen und fragte besorgt: "Haben Sie sich verletzt?" Ich schüttelte den Kopf. "Soll ich die Polizei rufen?", fragte der Mann weiter. "Nein", sagte ich," es ist alles in Ordnung!" Ich hob das Hinterrad etwas an und schob mein Fahrrad auf den Seitenstreifen.
     Plötzlich stand der Mann neben mir. „Es tut mir leid! Ich weiß nicht, wieso ich Sie nicht gesehen habe. Ich kann mir das nicht erklären.“ „Ist schon gut, „ sagte ich, „ es ist ja nichts Schlimmes passiert.
    Er starrte nun auf mein Hinterrad: „Schlimm genug! Kann ich Ihnen denn etwas Geld als Entschädigung anbieten?“ Nein, “, entgegnete ich, „ich komm schon klar!“ Ich wollte jetzt einfach nur meine Ruhe haben und alleine sein.
     Aber er ließ nicht locker: "Aber Sie brauchen doch ein neues Hinterrad. Kommen Sie, ich gebe Ihnen etwas Geld! Wie viel wollen Sie haben? Reichen 50 DM?" Plötzlich fiel mir ein, dass ich ja ein halbe Stunde zuvor Gott um etwas Geld gebeten hatte. Wollte Er es mir etwa auf diesem Wege zukommen lassen? Gut", entgegnete ich, " geben Sie mir 20 DM!"
     "Aber das ist viel zu wenig", protestierte er, "also wenigstens 30 DM sollten Sie schon nehmen." Er griff in seine Jackentasche und holte ein Portemonnaie hervor. Kurz darauf hielt er mir einen 20 DM - und einen 10 DM Schein hin. Ich nahm den Zwanziger und sagte "Danke. Gute Weiterfahrt!" Der Mann steckte den Zehner wieder ein, stieg in seinen Wagen und fuhr los. 

Ich war noch wie benommen, als ich jetzt mit meinem kaputten Fahrrad und dem Zwanzigmarkschein in der Hand am Straßenrand stand. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Ich versuchte, dass Hinterrad gerade zu richten. Zwecklos? Es war völlig demoliert und eine Weiterfahrt nicht zudenken. Und nun? , dachte ich, was soll ich nun machen?
     Einen Moment überlegte ich, ob ich das Fahrrad abstellen und eine Straßenbahn nehmen sollte. Ich würde zwar mit Sicherheit zu spät auf der Arbeit ankommen, aber es war ja sozusagen "höhere Gewalt" gewesen.
     Moment mal, dachte ich, ich habe vorhin doch gebetet, dass Gott mir zeigen möge, ob die Arbeit das Richtige für mich ist. Und ich habe um etwas Geld gebeten.
 Ich schaute erst das Fahrrad und dann den Zwanziger an. Und auf einmal begriff ich. Ich hatte soeben einen unmissverständlichen Fingerzeig Gottes erhalten. Mein Weg zur Arbeit war gestoppt worden und etwas Geld hielt ich jetzt auch in den Händen, so dass ich den Rest des Monats überstehen würde.
     "Danke!", sagte ich, meinen Blick himmelwärts gerichtet, und schob dann mein Rad auf dem Vorderrad Richtung Jesushaus. Das Thema Arbeit war für mich erst einmal erledigt!

Für mich war diese ganze Begebenheit eine echte Lektion. Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl bei der Antwort des Predigers und hätte diesem Gefühl trauen sollen. Berühmtheit ist eben keine Garantie für Richtigkeit. Und es war eine Lektion, dass ich nicht unbedingt einen menschlichen Mittler zwischen Gott und mir brauche. Ich kann ihn direkt fragen und erhalte dann auch Hilfe und Antwort, wenn es angebracht ist.
     Die Geschichte ging dann so aus, dass ich später auf der Arbeitsstelle anrief und den Job kündigte. Ein paar Tage später waren 180 DM Arbeitslohn auf meinem Konto. Davon konnte ich dann erst einmal die nächsten Wochen leben.
  


                                                    

                                                          
        

Dienstag, 17. Februar 2015

Eine Gardinenpredigt

Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 17: (immer noch 1985)



Eines Tages fand ich eine Nachricht von meinem Professor im Briefkasten, in dem ich aufgefordert wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt  zwecks Bekanntgabe der Note meiner Diplomarbeit in seinem Büro zu erscheinen. Das Schreiben hatte den üblichen amtlich- formalen Charakter  und so war nichts über das Ergebnis der Diplomarbeit zu schlussfolgern.     
    Als ich dann an besagtem Tag im FH-Gebäude die Treppen zum Büro des Professors war mir schon etwas mulmig zu Mute. Hatte ich nicht vielleicht doch den Bogen überspannt? Insbesondere mit dem Bekehrungsaufruf am Ende des Arbeit? Aber das hätte ich mir alles vorher überlegen müssen, und irgendwie hatte ich es ja so gewollt.
     Die Begrüssung durch den Professor und die zweitlesende Professorin war nüchtern- höflich und ließ auch noch keine Rückschlüsse. Wir hatten uns an einen kleinen Besuchertisch gesetzt und meine Diplomarbeit lag auf dem Tisch.
 „Herr von B., wir haben Sie ja hierher eingeladen um Ihnen ihre Note mitzuteilen und die Arbeit mit ihnen zu besprechen. Aber eigentlich habe zuvor  eine Frage an Sie ...“ Er stoppte und ich schaute ihn überrascht an. Er fuhr fort: „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, so eine Arbeit abzuliefern? In all den Jahren meiner Lehrtätigkeit  hier an der FH ist mir ein solcher Mist noch nicht untergekommen. Diese Arbeit“, er nahm sie nun in die Hand und hielt sie mir mit erkennbarer Wut hin und seine Stimme wurde lauter und beschleunigte sich, „ist das Allerletze. Eine absolute Frechheit! Und entsprechend fällt auch meine Bewertung aus. Ungenügend! Sie sind durchgefallen!“
    Die Worte standen wie gemeißelt im Raum. Die Urteilsverkündung war vollzogen:Ungenügend!  Durchgefallen! Ich schaute ihn betroffen an. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich mit so einem drastischen Urteil und so einem Wutausbruch nicht gerechnet.
    Aber der Zorn des Professors war noch nicht verraucht. Er ging nun in medias res und ließ wirklich kein gutes Haar an der ganzen Arbeit. "Total unwissenschaftlich, bestenfalls eine Bibelarbeit minderer Qualität. Mal ganz abgesehen von den zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Es ist einfach unglaublich, was Sie sich da geleistet haben!“ Und damit endete seine Gardinenpredigt genauso abrupt wie sie begonnen hatte.
    Das Urteil der Professorin fiel genauso eindeutig aus, aber offensichtlich wollte sie mich doch etwas schonen und so sagte sie nur: „Ich schließe mich den gemachten Ausführungen von Professor R. im Wesentlichen an. Das ist wirklich keine wissenschaftliche Arbeit. Auch von mir ein Ungenügend.“
   Nun blickten mich beide an. Offensichtlich erwarteten sie eine Stellungnahme von mir. Ich zuckte mit den Achseln: „Was soll ich sagen?  Sie haben Recht! Das war wohl wirklich keine wissenschaftliche Arbeit. Mir ging es da mehr um die Wahrheit!“ Professor R. verzog das Gesicht: „Ihre Wahrheit hätten Sie im Schlusskapitel ja immer noch verkünden können, aber erst nachdem sie das Thema in wissenschaftlicher Weise bearbeitet hätten. Haben Sie das während Ihres Studiums nicht gelernt?“ Ich schwieg. Er hatte Recht . Was sollte ich da noch groß sagen? 
    Der Professor erhob sich nun und sagte: „Gut, Sie wissen, dass sie innerhalb von  drei Jahren die Arbeit noch einmal schreiben können. Und wenn Sie wollen, auch bei mir! Aber das Eine sage ich Ihnen ... wir werden dann eine genaue Literaturliste festlegen, die sie dann auch bearbeiten werden.“ Er reichte mir die Hand und sagte dann in einem etwas milderen Tonfall: „Also, überlegen Sie es sich!“


Sonntag, 15. Februar 2015

Eine nachgelieferte Erklärung


Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 16: (immer noch 1985)

Die offizielle Aufnahme in die Jesushaus-Gemeinde änderte für erst einmal nicht viel, bis auf die Teilnahme an der monatlichen Gemeindeversammlung und die Zahlung des monatlichen Zehnten in Höhe von 90 DM. Ansonsten blieb alles beim Alten. 
    Ich besuchte weiterhin regelmäßig die Gottesdienste am Wochenende und in der Woche den Hauskreis und die Bibelstunde. Und half gelegentlich bei kleineren Tätigkeiten in der Gemeinde aus.

Trotzdem begann aber um diese Zeit herum etwas Neues. Mit mir hatte sich unter Anderen ein älterer Mann namens Hubert taufen lassen. Und der lud nun regelmäßig nach den Sponntagsgottesdiensten in sein Haus nach St.Tönis ein. Und recht bald hatte sich daraus ein beliebter Treffpunkt insbesondere auch für jüngere Singles beiderlei Geschlechts gebildet. Es wurde gemeinsam gekocht, gegessen, gespielt, gelacht, gebetet, spazierengegangen und Vieles mehr.
    Für die nächsten anderthalb Jahre war „Sonntags bei Hubert“ für mich oft die schönste und erbaulichste Zeit der Woche. Soviel Spass, tiefe Gespräche und angenehme Geselligkeit hatte ich zuvor – zumindest in so einer gesitteten Form – zuvor noch nicht erlebt

Als ich einmal dort in einem kleineren Kreis meine Bekehrungsgeschichte erzählt hatte – oder vielleicht war es auch bei einer anderen Gelegenheit – sagte auf einmal Heike, eine junge,schüchterne Frau: „Ich war das!“ 
   Irritiert schaute ich sie an: „Was warst du?“ „Ich war diejenige, die in dem Buchladen gefragt hatte, was Maranatha heisst! Und Heidi hatte gedacht, du hättest die Frage gestellt und dir geantwortet.".
       Um das jetzt verständlich werden zu lassen, muss ich ein wenig weiter ausholen. Deshalb ein kleiner Auszug aus meiner Bekehrungsgeschichte. Ich hatte gerade an meinem Schicksalstag den Buchladen des Jesus-Hauses betreten:
Der Raum war nicht allzu groß und die Wände voll gestellt mit Bücherregalen. Ich sah in einer Ecke einen Tisch, auf der eine riesige Kaffeemaschine und zwei Kuchenbleche standen. Ich war am Ziel meiner Wünsche angelangt. Wenig später stand ich in der Mitte des Raumes und genoss Kaffee und Kuchen. Ich begann mich wieder etwas besser zu fühlen. Für einen Moment war meine kleine Welt wieder in Ordnung.
   Doch plötzlich drehte sich die Frau, die mich kurz zuvor bedient hatte, ohne einen erkennbaren Grund herum und schaute mir mit ihren blauen Augen direkt ins Gesicht. Dann sagte sie ganz ruhig: „Der Herr kommt bald!“ Ohne eine Erwiderung von mir abzuwarten, wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
   Ich stand wie angewurzelt auf meinem Platz und hatte das Gefühl, als wenn sich gleich der Erdboden unter mir auftun würde. Mein Schädel dröhnte wie nach einem Gongschlag in allernächster Nähe. Panik stieg in mir hoch.
Was hat das zu bedeuten? Warum sagt sie so etwas zu mir?“ 


Jetzt ging mir ein Licht auf. Heike hatte also -unbemerkt von mir- die Frage gestellt: „Was heisst Maranatha?“ und Heidi sich umgedreht und die völlig korrekte Übersetzung gegeben und jenes : „Der Herr kommt bald“ ausgesprochen … in der irrtümlichen Annahme, dass ich gefragt hätte. Und in mir – unbeabsichtigt – den Schock meines Lebens ausgelöst:
Für mich stand außer Frage, dass jemand Anderes als die Frau zu mir gesprochen hatte. Sie lediglich ein Medium für eine Botschaft an mich war und dass es jetzt wirklich ernst wurde! Aber wer hat da zu mir gesprochen? Etwa meine „Verwandten“? Ich spürte eine neue Schockwelle durch meinen Körper laufen. Hatten sie eine solche Macht?
  Aber die Rede war von einem
Herrn. Was für ein Herr? fragte ich mich irritiert. Und was hieß: Er kommt gleich? War das eine Todesankündigung? Hatte meine letzte Stunde geschlagen? Würde ich nun sterben? Ich fühlte mein Leben jetzt ernsthaft in Gefahr. Es würde etwas geschehen und zwar bald.“

Welcher Herr dann kam und wie und auf welche Weise ist ab hier nachzulesen: (hier clicken) 

So also ist das gewesen. Ich bin echt platt!“, sagte ich zu Heike. „Ist schon erstaunlich wie gut uns der Herr kennt und wie ER die Dinge lenkt … damit genau das passiert, was passieren soll!“ Sie lächelte:„Ja, das stimmt! Du solltest an jenem Tage gläubig werden! ER hat es so gewollt!“
   Ich stand auf und ging hinaus in den Garten. Die Ereignisse der damaligen Zeit gingen mir noch einmal durch den Kopf: Unglaublich, wie präzise Er agiert hat. Und einmal mehr stand mir vor Augen welch ein Wunder meine Bekehrung zu Jesus gewesen war.
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Meine Bekehrungsgeschichte: (hier clicken)

Freitag, 13. Februar 2015

Ein Denkzettel


Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 15: (immer noch in 1985)


Die Erwachsenentaufe am nächsten Tag nachmittags in Grevenbroich überstand ich einigermaßen gut. Der innere Friedensstrom aus der vorhergehenden Nacht blieb den ganzen Tag in mir aktiv, so dass die am Mittag einsetzenden Kopfschmerzen eigentlich keine grosse Rolle spielten. Nun war ich ganz offiziell ein Kind Gottes.
    „Jetzt könntest du ja eigentlich auch Mitglied der Jesus-Hausgemeinde werden,“ sagte jemand zu mir. Die Erwachsenentaufe war Voraussetzung für solch eine Mitgliedschaft.„Dann musst du aber auch den Zehnten regelmäßig bezahlen.“ fügte er hinzu „Den Zehnten?“, fragte ich zurück. „Den zehnten Teil deines Einkommens musst du dann der Gemeinde geben. Ist biblisch!“
     Eigentlich hatte ich mich die ganze Zeit auch so zum Jesus-Haus zugehörig gefühlt und über so etwas wie eine offizielle Mitgliedschaft überhaupt noch nicht gross nachgedacht. Aber warum eigentlich nicht? dachte ich und überschlug kurz was der „Zehnte“ dann für mich bedeuten würde. 90 DM! Nicht gerade wenig für einen Studenten. Blieben etwa 500 DM für den Lebensunterhalt. 

Als ich am nächsten Tag im Gemeindebüro nachfragte, sagte Eva: „Übermorgen ist Gemeindeversammlung. Da könntest du schon offiziel in die Gemeinde aufgenommen werden.“ Ich zögerte: „Und wann wäre die nächste Möglichkeit?“ fragte ich nach. „Dann erst einmal wieder in einem Monat! Überleg es dir!“
     Das tat ich dann auch, kam aber zu keinem rechten Entschluss. Das ging alles ein wenig flott und so einen direkten Vorteil hatte ich ja eigentlich nicht davon. Und die 90 DM sind auch kein Pappenstiel! dachte ich. 

Am nächsten Tag besuchte ich um die Mittagszeit herum Michael, den Esoteriker. „Du, ich habe überhaupt keine Zeit, ich muss gleich los in die Stadt.“ „Kein Problem“, sagte ich, „dann können wir ja ein Stück gemeinsam fahren.“
    Was sich allerdings als keine so gute Idee erwies. Michael war ein recht durchtrainierter Fahrradfahrer und legte ein ziemlich hohes Tempo vor. Eine  offensichtliche Herausforderung zu einer kleinen Wettfahrt! Ich, eher der gemütliche Fahrradtyp, wollte jetzt auch nicht "kneifen" und setzte zur Verfolgungsjagd an. 
    Zu allem Überfluss fing es plötzlich auch noch an zu regnen. Wohl um ein wenig Schutz vor dem Regen zu haben bog Michael auf einen holprigen Waldweg ein. Von da an ging es, in immer noch hohem Tempo, über Stock und Stein … ein ziemlicher Unfug, aber wenn Jungmannen sich erst einmal in ein Duell verstrickt haben ...

 Nach etwa einer Viertelstunde war der Waldweg zu Ende. Ich hatte nur unter Aufbietung aller meiner Kräfte eingermaßen Anschluss halten und einen Sturz vermeiden können. Jetzt stand ich schwer atmend neben Michael. Der sagte lässig: „Ja, ich muss jetzt Richtung Bilk. Also tschüss!“ „Ja, tschüss!!“, sagte ich, stieg vom Fahrrad und sortierte mich erst einmal.
      Auf einmal merkte ich, dass etwas fehlte. Mein Portemonnaie! Eine Schrecksekunde! Ich war mir sicher, dass ich es nach einem Einkauf kurz zuvor in die hinteren Hosentasche gesteckt hatte. Es war weg.  Hastig durchsuchte ich meine Jackentaschen und den Rucksack. Mist. dachte ich, ich muss es bei diesem blödsinnigen Rennen irgendwo auf dem Waldweg verloren haben.
      Ich überlegte wieviel Geld drin gewesen waren. Kurz zuvor hatte ich in einem Supermarkt etwas eingekauft und mit einem Hundertmarkschein bezahlt. Also waren etwa 90 DM im Portemonnaie gewesen. 90 DM? Moment mal. Dass ich ja die gleiche Summe wie mein Zehnter für das Jesus-Haus!“
     Und mit einem mal war mir klar, dass dies alles wohl kein Zufall gewesen war, sondern eine Botschaft darin für mich verborgen war.

Das Ganze hatte einen gefühlten Denkzettel-Charakter. Mein Zögern bezüglich Gemeindebeitritt: 90 DM sind kein Pappenstiel schien in höheren Gefilden nicht unbedingt auf Zustimmung zu treffen. Von mir wurde da wohl eher klare Kante erwartet.
     Ich überlegte kurz, ob ich den Waldweg abfahren und das Portemonnaie suchen sollte. Aber ließ es dann doch bleiben. Ich war einfach zu erschöpft und die Wahrscheinlichkeit es zu finden schien mir nicht allzu hoch. Denn es waren immer vereinzelte Spaziergänger mit Hunden unterwegs. Und die würden es wohl kaum liegengelassen haben.
Langsam schob ich mein Fahrrad Richtung Jesus-Haus und begab mich dann ins Gemeindebüro. 
    „Hallo, Eva“, sagte ich, „du, ich hab es mir überlegt. Ich möchte doch schon morgen der Gemeinde beitreten.“ „Schön“, sagte sie, Sie holte einen Mitglliedsantrag aus einer Schublade hervor und reichte ihn mir. Ich gab ihn ihr wenig später ausgefüllt zurück „Ja, dann bis morgen Abend zur Versammlung“, sagte sie lächelnd.

Folge 14: (hier clicken)

Dienstag, 10. Februar 2015

Ein unerwarteter nächtlicher Besuch



Das Foto ist von  hier

Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 14: (immer noch im Jahre 1985)

Nach etwa drei Monaten hatte ich meine Diplomarbeit mit dem Thema „Das Tabu“ fertiggestellt und termingerecht eingereicht. Aus schon erwähnten Gründen hatte ich einige Zweifel, ob Professor R. kleine „Bibelarbeit“ durchgehen lassen würde. Zumal ich auf der letzten Seite noch eine „Bekehrungseinladung“ angefügt hatte.
    Natürlich war mir klar, dass die Arbeit nicht unbedingt wissenschaftlichen Standards entsprach, aber andererseits: Ging es nicht auch in der Wissenschaft um Wahrheit? Und da fand ich schon, dass ich dazu einen wichtigen Beitrag geleistet hatte. Jetzt galt es halt abzuwarten, wie es vom Professor und der Zweitleserin, auch einer Professorin, aufgenommen werden würde.

In jenen Herbsttagen wurde mir eines Morgens beim Bibellesen klar, dass es in den Anfängen des Christentums die sogenannte Erwachsentaufe gegeben hatte. Also diejenigen, die neu zum Glauben gekommen waren, ließen sich taufen. Hm, dachte ich, wenn das früher so war, warum ist das heute eigentlich nicht mehr so? 
   Zwei Tage später fiel mir im Jesushaus eine Bekanntmachung an der Türe des Gemeindebüros auf: "Am kommenden Sonntag, den ... , findet in der Grevenbroicher Kapelle wieder eine Erwachsenentaufe statt. Interessierte bitte im Büro bei Eva melden!" Wie sich herausstellte, handelte es sich tatsächlich um jene "urchristliche Erwachsenentaufe", von der ich zuvor in der Bibel gelesen hatte. Ich meldete mich spontan an.

Samstag nachmittags fand dann im Gemeindebüro für alle Täuflinge ein „Taufseminar“ statt, wo wir von einem Ältesten der Gemeinde über den Sinn der Taufe aufgeklärt und auch praktisch für den nächsten Tag vorbereitet wurden.Danach nahm ich noch am Abendgottesdienst teil und kam erst gegen Mitternacht, reichlich geschlaucht und mit leichten Kopfschmerzen, nach Hause. Ich legte mich sofort Schlafen. 

    Etwa eine Stunde später wachte ich auf und war im Nu hellwach. Ich wusste ohne irgendeinen Zweifel, dass sich jemand im Raum befand. Die Gegenwart dieser Person war so stark spürbar, dass ich weder die Augen zu öffnen noch mich zu bewegen wagte. Instinktiv ging mir ein Gedanke durch den Kopf: Freund oder Feind? Im nächsten Moment berührte mich kurz und sanft eine Hand an der Stirn. Augenblicklich begann mich von Kopf bis Fuß ein warmer, wohliger Friedensstrom zu durchfluten. Und dann spürte ich, dass ich wieder alleine war. 
    Als ich die Augen öffnete und im fahlen Halbdunkel umherschaute, konnte ich nichts Ungewöhnliches entdecken. Niemand war da und nichts im Zimmer hatte sich verändert. Nichts zeugte von einiger vormaligen Anwesenheit einer anderen Person, außer – der mächtige Friedensstrom in mir.

Ich lag danach noch einige Zeit wach und dachte über das Geschehene nach. Ganz offensichtlich hatte es sich um einen Freundschaftsbesuch gehandelt. Denn ein Feind hätte mir wohl kaum eine solche innere Erquickung geschenkt. Aber wer war es? Nun, ganz offensichtlich hatte es sich nicht um einen anderen Menschen gehandelt. Wie hätte er oder sie zwei Mal unbemerkt durch ein geschlossenes Fenster oder eine abgeschlossene Haustüre kommen sollen? Und selbst wenn, wie hätte eine menschliche Berührung einen solchen Friedensstrom auslösen können? 

   War es ein Engel? Oder vielleicht sogar Jesus selber? fragte ich mich. Der Gedanke, dass Jesus selber mich besucht haben könnte, schien mir schon etwas vermessen. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich wollte ich mich ja am nächsten Tag auf seinen Namen taufen lassen. Wie dem auch sei! dachte ich, morgen wird ein anstrengender Tag und ich muss jetzt schlafen. Und so drehte ich mich wieder zur Seite und schlief kurz darauf wieder ein.