Folge 17: (immer noch 1985)
Eines Tages fand ich eine Nachricht von meinem Professor im Briefkasten, in dem ich aufgefordert wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt zwecks Bekanntgabe der Note meiner Diplomarbeit in seinem Büro zu erscheinen. Das Schreiben hatte den üblichen amtlich- formalen Charakter und so war nichts über das Ergebnis der Diplomarbeit zu schlussfolgern.
Als ich dann an
besagtem Tag im FH-Gebäude die Treppen zum Büro des Professors war mir schon
etwas mulmig zu Mute. Hatte ich nicht vielleicht doch den Bogen überspannt?
Insbesondere mit dem Bekehrungsaufruf am Ende des Arbeit? Aber das hätte ich
mir alles vorher überlegen müssen, und irgendwie hatte ich es ja so gewollt.
Die Begrüssung durch
den Professor und die zweitlesende Professorin war nüchtern- höflich und ließ
auch noch keine Rückschlüsse. Wir hatten uns an einen kleinen Besuchertisch
gesetzt und meine Diplomarbeit lag auf dem Tisch.
„Herr von B., wir
haben Sie ja hierher eingeladen um Ihnen ihre Note mitzuteilen und die Arbeit mit ihnen zu besprechen. Aber eigentlich habe zuvor eine Frage an Sie ...“ Er stoppte und ich
schaute ihn überrascht an. Er fuhr fort: „Was haben Sie sich eigentlich dabei
gedacht, so eine Arbeit abzuliefern? In all den Jahren meiner Lehrtätigkeit hier an der FH ist mir ein solcher Mist noch
nicht untergekommen. Diese Arbeit“, er nahm sie nun in die Hand und hielt sie
mir mit erkennbarer Wut hin und seine Stimme wurde lauter und beschleunigte sich, „ist das Allerletze. Eine absolute Frechheit! Und
entsprechend fällt auch meine Bewertung aus. Ungenügend! Sie sind
durchgefallen!“
Die Worte standen
wie gemeißelt im Raum. Die Urteilsverkündung war vollzogen:Ungenügend! Durchgefallen! Ich schaute ihn betroffen an. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich mit so einem
drastischen Urteil und so einem Wutausbruch nicht gerechnet.
Aber der Zorn des
Professors war noch nicht verraucht. Er ging nun in medias res und ließ
wirklich kein gutes Haar an der ganzen Arbeit. "Total unwissenschaftlich,
bestenfalls eine Bibelarbeit minderer Qualität. Mal ganz abgesehen von den
zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Es ist einfach unglaublich, was
Sie sich da geleistet haben!“ Und damit endete seine Gardinenpredigt genauso abrupt wie sie begonnen hatte.
Das Urteil der
Professorin fiel genauso eindeutig aus, aber offensichtlich wollte sie mich
doch etwas schonen und so sagte sie nur: „Ich schließe mich den gemachten
Ausführungen von Professor R. im Wesentlichen an. Das ist wirklich keine wissenschaftliche
Arbeit. Auch von mir ein Ungenügend.“
Nun blickten mich
beide an. Offensichtlich erwarteten sie eine Stellungnahme von mir. Ich zuckte mit
den Achseln: „Was soll ich sagen? Sie
haben Recht! Das war wohl wirklich keine wissenschaftliche Arbeit. Mir ging es
da mehr um die Wahrheit!“ Professor R. verzog das Gesicht: „Ihre Wahrheit
hätten Sie im Schlusskapitel ja immer noch verkünden können, aber erst nachdem
sie das Thema in wissenschaftlicher Weise bearbeitet hätten. Haben Sie
das während Ihres Studiums nicht gelernt?“ Ich schwieg. Er
hatte Recht . Was sollte ich da noch groß sagen?
Der Professor erhob sich nun
und sagte: „Gut, Sie wissen, dass sie innerhalb von drei Jahren die Arbeit noch einmal schreiben
können. Und wenn Sie wollen, auch bei mir! Aber das Eine sage ich Ihnen ... wir
werden dann eine genaue Literaturliste festlegen, die sie dann auch bearbeiten werden.“ Er reichte mir die Hand und sagte dann in einem etwas milderen Tonfall: „Also,
überlegen Sie es sich!“
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