Dienstag, 17. Februar 2015

Eine Gardinenpredigt

Meine Abenteuer und Leiden in der Nachfolge Jesu

Folge 17: (immer noch 1985)



Eines Tages fand ich eine Nachricht von meinem Professor im Briefkasten, in dem ich aufgefordert wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt  zwecks Bekanntgabe der Note meiner Diplomarbeit in seinem Büro zu erscheinen. Das Schreiben hatte den üblichen amtlich- formalen Charakter  und so war nichts über das Ergebnis der Diplomarbeit zu schlussfolgern.     
    Als ich dann an besagtem Tag im FH-Gebäude die Treppen zum Büro des Professors war mir schon etwas mulmig zu Mute. Hatte ich nicht vielleicht doch den Bogen überspannt? Insbesondere mit dem Bekehrungsaufruf am Ende des Arbeit? Aber das hätte ich mir alles vorher überlegen müssen, und irgendwie hatte ich es ja so gewollt.
     Die Begrüssung durch den Professor und die zweitlesende Professorin war nüchtern- höflich und ließ auch noch keine Rückschlüsse. Wir hatten uns an einen kleinen Besuchertisch gesetzt und meine Diplomarbeit lag auf dem Tisch.
 „Herr von B., wir haben Sie ja hierher eingeladen um Ihnen ihre Note mitzuteilen und die Arbeit mit ihnen zu besprechen. Aber eigentlich habe zuvor  eine Frage an Sie ...“ Er stoppte und ich schaute ihn überrascht an. Er fuhr fort: „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, so eine Arbeit abzuliefern? In all den Jahren meiner Lehrtätigkeit  hier an der FH ist mir ein solcher Mist noch nicht untergekommen. Diese Arbeit“, er nahm sie nun in die Hand und hielt sie mir mit erkennbarer Wut hin und seine Stimme wurde lauter und beschleunigte sich, „ist das Allerletze. Eine absolute Frechheit! Und entsprechend fällt auch meine Bewertung aus. Ungenügend! Sie sind durchgefallen!“
    Die Worte standen wie gemeißelt im Raum. Die Urteilsverkündung war vollzogen:Ungenügend!  Durchgefallen! Ich schaute ihn betroffen an. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich mit so einem drastischen Urteil und so einem Wutausbruch nicht gerechnet.
    Aber der Zorn des Professors war noch nicht verraucht. Er ging nun in medias res und ließ wirklich kein gutes Haar an der ganzen Arbeit. "Total unwissenschaftlich, bestenfalls eine Bibelarbeit minderer Qualität. Mal ganz abgesehen von den zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Es ist einfach unglaublich, was Sie sich da geleistet haben!“ Und damit endete seine Gardinenpredigt genauso abrupt wie sie begonnen hatte.
    Das Urteil der Professorin fiel genauso eindeutig aus, aber offensichtlich wollte sie mich doch etwas schonen und so sagte sie nur: „Ich schließe mich den gemachten Ausführungen von Professor R. im Wesentlichen an. Das ist wirklich keine wissenschaftliche Arbeit. Auch von mir ein Ungenügend.“
   Nun blickten mich beide an. Offensichtlich erwarteten sie eine Stellungnahme von mir. Ich zuckte mit den Achseln: „Was soll ich sagen?  Sie haben Recht! Das war wohl wirklich keine wissenschaftliche Arbeit. Mir ging es da mehr um die Wahrheit!“ Professor R. verzog das Gesicht: „Ihre Wahrheit hätten Sie im Schlusskapitel ja immer noch verkünden können, aber erst nachdem sie das Thema in wissenschaftlicher Weise bearbeitet hätten. Haben Sie das während Ihres Studiums nicht gelernt?“ Ich schwieg. Er hatte Recht . Was sollte ich da noch groß sagen? 
    Der Professor erhob sich nun und sagte: „Gut, Sie wissen, dass sie innerhalb von  drei Jahren die Arbeit noch einmal schreiben können. Und wenn Sie wollen, auch bei mir! Aber das Eine sage ich Ihnen ... wir werden dann eine genaue Literaturliste festlegen, die sie dann auch bearbeiten werden.“ Er reichte mir die Hand und sagte dann in einem etwas milderen Tonfall: „Also, überlegen Sie es sich!“


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