Folge
30 meiner autobiografischen Erzählung:
In
jene Zeit hinein fiel auch eine Episode, die ich mal etwas genauer
schildern möchte. Und zwar geht es da um einen meiner gelegentlichen
Besuche bei einem Ehepaar, mit denen ich schon vor meiner Bekehrung
recht intensiv befreundet war und nun natürlich auch für den
Glauben zu gewinnen versuchte. „Aber du musst doch auch
einmal sehen, was die Kirche und die Christen in den letzten 2000
Jahren alles verbrochen haben. Das kann man doch nicht einfach
ignorieren!“, sagte Anke mit vorwurfsvoller Stimme und einem leicht
empörten Gesichtsausdruck
„Ja, du hast ja
recht!“, lenkte ich ein. „Aber man sollte auch nicht das Gute
übersehen, was von der Kirche und den Christen ausgegangen ist. Im
Übrigen ist der Glaube an Gott erst einmal eine ganz persönliche
Angelegenheit!“
Wieder
einmal saß ich bei Anke und Dietmar im Wohnzimmer und versuchte sie
von der Richtigkeit des Glaubens zu überzeugen. Was bei ihnen
unterschiedliche Reaktionen hervorrief. Während Dietmar
grundsätzlich, wenn auch ohne persönliche Konsequenzen, an die
Existenz Gottes glaubte und sich ziemlich neutral verhielt, hatte
Anke von Anfang an eine Art Frontalopposition eingenommen.
Nichts von dem, was
ich sagte, hatte bislang vor ihrem ablehnenden, teilweise
vernichtenden Urteil Gnade gefunden. Und vermutlich war es nur
unserer langjährigen Freundschaft geschuldet, dass sie mir überhaupt
noch bei diesem Thema zuhörte.
Ich hatte beide
über das Schachspielen kennengelernt und war eine Zeitlang fast
täglich bei ihnen ein- und ausgegangen. Dann aber geriet ich in jene
tiefe Sinn- und Lebenskrise, die letztlich im Juni 1985 zu meiner
Hinwendung zum christlichen Glauben geführt hatte.
In jenen
Monaten hatte ich sie nur noch sporadisch besucht, dann aber nach
meiner Bekehrung wieder meine regelmäßigen Besuche, diesmal aber im
2-3 Wochenrhythmus wieder aufgenommen. Natürlich schon mit dem
Hintergedanken, sie von der Richtigkeit des christlichen Glaubens zu
überzeugen. „Zu missionieren“, wie ich damals gesagt hätte.
An diesem Abend
hatten unsere Gespräche schon längst wieder den üblichen Verlauf
genommen, als ich mich angesichts des heftigen Widerstandes von Anke
fragte, ob meine Besuche grundsätzlich gesehen überhaupt noch einen
Sinn machten. Die Argumente waren längst alle ausgetauscht und
seitdem ich kein Schach mehr spielte, war diesbezüglich nur noch
wenig Gesprächsstoff vorhanden.Okay, sagte ich zu mir selber,
das ist heute das letzte Mal. Danach werde ich sie in Ruhe lassen!
Und so holte ich aus, ihnen noch einmal grundsätzlich meine Position
und Argumente darzulegen.
Dieses eine Mal
hörte Anke ruhig zu und begann dann plötzlich sogar Nachfragen zu
stellen. Das hat sie doch noch nie getan. Was ist denn jetzt auf
einmal los?, fragte ich mich leicht irritiert.Und als wenn sich
plötzlich der Wind gedreht hätte, war in der Folge nicht mehr der
geringste Widerstand zu spüren. Und nicht nur, dass sie klug
nachfragte, sie schloss auch bemerkenswerte Folgerungen as dem
gesagten. Auf einmal schien sie alles zu verstehen und anzunehmen,
was ich sagte. Ich konnte es einfach nicht fassen!
Wenn
Dietmar diese Wandlung Annes ebenfalls irritiert haben sollte, so
ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Etwa gegen 23 Uhr zog er
sich mit den Worten: „Ich bin müde und leg mich jetzt Schlafen!
Aber ihr könnt ja ruhig noch weiter diskutieren“, ins Schlafzimmer
zurück. Ein Vorgang, der nicht ungewöhnlich war, denn er war
berufstätig und musste am nächsten Morgen zur Arbeit. So
blieben Anke und ich also alleine im Wohnzimmer zurück.
Wir
hatten uns noch eine ganze Weile angeregt unterhalten, als Anke
plötzlich aufstand und mit den Worten: „Also, ich mal jetzt mal
schöne Musik“, rüber zum Plattenspieler ging. „Gute Idee!“,
sagte ich und stand ebenfalls auf. Vom langen herumsitzen waren mir
die Beine etwas schwer geworden und ich nutzte die Gelegenheit, sie
mir im Zimmer etwas zu vertreten.
Während
sie also nun mit der Plattenwahl beschäftigt war und ich mir im
Zimmer die Beine vertrat, vernahm ich auf einmal recht deutlich eine
innere Stimme: Frag sie, ob sie sich nicht zum Glauben bekehren
möchte!Ich war erst völlig überrascht, dann zutiefst
erschrocken. Mit jemanden über den Glauben zu diskutieren ist eine
Sache, ihn oder sie aber zur Bekehrung aufzufordern, eine andere. Sie
wird sich vielleicht bedrängt fühlen, dachte ich, und
womöglich heftig reagieren! Ich zögerte.
Andererseits
hatte ich aber die innere Stimme deutlich
vernommen. Um dies zu leugnen, hätte ich mich schon selber belügen
müssen. Schließlich ging ich zu ihr hinüber und sagte so beiläufig
wie möglich:„Anke, darf ich dir mal eine Frage stellen?“ Sie
blickte überrascht von ihren Platten hoch und sagte: „Ja, worum
geht`s?“
Nun gab es kein
Zurück mehr. Ich überwand meine Furcht und fragte sie ganz
behutsam: „Anke, möchtest du dein Leben nicht Jesus übergeben?“
Für
einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen im Raum. Dann aber
sagte sie beinahe schüchtern: „Aber ich weiß doch noch so wenig
darüber!“ Ich atmete erleichtert durch. Sie hatte zumindest nicht
wie befürchtet heftig reagiert.
„Ach“,
entgegnete ich. „das macht nun wirklich nichts! Als ich mein Leben
Jesus übergeben habe, wusste ich auch nicht allzu viel darüber.
Entscheidend ist nur, dass man es will. Der Rest ergibt sich dann
schon.“ Sie schaute erst noch skeptisch vor sich hin, aber nach
einigem guten Zureden willigte sie schließlich ein. „Okay“,
sagte ich, „dann lass uns gemeinsam beten!“
Wenig später saßen
wir schweigend und mit geschlossenen Augen am Wohnzimmertisch.
Schließlich fing Anke in recht einfacher, aber dennoch respektvoller
Art an zu beten. Sie bat Gott um Vergebung für ihr bisheriges Leben
ohne ihn und sagte dann die entscheidenden Worte: „Ich bitte
dich, Herr Jesus, dass Du in mein Leben kommst. Amen!“ Ich atmete
erleichtert durch.Kurz darauf begann ich dann selber zu beten und
dankte Gott, dass Anke nun tatsächlich den Weg zum Glauben gefunden
hatte. Und dass Er sie nun auch auf ihrem weiteren Lebensweg leiten
und beschützen möge.
Während ich so
betete, kam mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn. Ich überlegte
kurz, ob ich ihn aussprechen sollte. Dann aber tat ich es: „Anke,
Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Ich hatte
die Augen geöffnet, als ich sie ansprach und sah nun, dass sie ihre
Augen jetzt ebenfalls öffnete. Sie blickte mich völlig erstaunt an
und sagte dann:„Weißt Du, Heiner, was ich gerade erlebt habe?“
Ich schaute sie fragend an.
„Als du
betetest, sah ich vor meinem inneren Auge auf einmal einen im
Halbdunkel liegenden Berghang. Man könnte eine Wiese und Bäume
erahnen, aber nichts Genaues erkennen. Mit einem Mal erschien auf der
Bergkuppe ein unwahrscheinlich helles Licht und begann schlagartig
den ganzen Berghang zu erleuchten.“
Sie
machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Und gerade als ich
mich fragte, was dies denn für ein Licht sei, sagtest du, Jesus sagt
zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Für einen
kurzen Moment war ich richtig geplättet. Dann hatte ich mich wieder
gefasst. „Weißt Du, was das bedeutet, Anke?“ Ohne ihre Antwort
abzuwarten, fuhr ich fort: „Das bedeutet, dass Jesus dir eine
direkte Antwort gegeben hat! Damit du sicher weißt, dass du den
richtigen Schritt getan hast. Unglaublich!“ Sie strahlte nun über
das ganze Gesicht und nickte: „Ja, das ist dann wohl so!“
Mir fiel ein
Satz ein, den ich irgendwo einmal aufgeschnappt hatte: Wenn wir
uns einen Schritt auf Gott zubewegen, kommt er uns mit einem
Riesenschritt entgegen! Ich
sprach ihn aus. Anke lächelte zustimmend.
Es
war schon weit nach Mitternacht, als Anke sich ins Schlafzimmer
zurückzog und ich es mir auf dem Sofa im Wohnzimmer "bequem"
machte. Aufgewühlt von den Ereignissen des Abends fand ich
allerdings erst recht spät in einen unruhigen Schlaf.Als ich
am nächsten Morgen aufwachte, verspürte ich ein seltsam stechendes
Gefühl in der Magengegend. Als wenn jemand in meinen Eingeweiden
herumgewühlt hätte. Da bin ich gestern Nacht wohl irgendwie an
meine Grenzen gestoßen, dachte ich. Es war ja auch eine recht
„schwere Geburt“ gewesen. Auf einmal kam mir ein anderer Gedanke:
Ob sie jetzt am Morgen die Sache noch genauso sehen wird wie
gestern Nacht? Oder doch vielleicht einen Rückzieher machen wird?
Ich war mir nicht sicher.
Als sie wenig später
ins Wohnzimmer kam, strahlte sie mich an: „Guten Morgen, Heiner!
Hast du gut geschlafen?“ „Geht so“, entgegnete ich, „fühle
mich aber noch etwas schlapp.“ "Weißt du, was ich heute
Morgen als erstes zu Dietmar gesagt habe?“ Ich schaute sie fragend
an. Sie lächelte: "Ich habe zu ihm gesagt: Ich bin jetzt auch
ein Kind Gottes!"
Ich war
bass erstaunt wegen ihrer Wortwahl. Meiner Ansicht nach hatte ich den
Begriff Kind Gottes, obwohl er biblisch ist, ihr
gegenüber nie erwähnt: "Und“, fragte ich, “wie hat er
reagiert?" "Ach, er hat mich erst mit großen Augen
angeschaut und dann gesagt: „Na, das ist doch schön. Gratuliere!"
Sie lachte: "Komm, wir gehen in die Küche! Erst einmal etwas
frühstücken!"
Ja, und hier endet
diese kleine wahre Geschichte. Anke schloss sich einige Zeit später
einer Baptistengemeinde an und ist, soviel ich weiß, auch heute noch
gläubig.
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