Freitag, 25. Dezember 2020

Aus der Traum!

 


Die Aufenthalte ins Huberts Haus in St. Tönis gehören mit zu den glücklichsten Zeiten in meinem Leben. Hubert, ein berenteter Geologe, hatte sich erst spät zum christlichen Glauben bekehrt und war am gleichen Tag wie ich getauft worden. 
   Er war mit seinen 70 Jahren von ausgesprochen rüstiger Natur und voller Tatendrang. Vor allen Dingen aber war er der Ansicht, dass sein Haus für einen alleine viel zu groß sei. Und so wurde es zu einem beliebten Treffpunkt für Christen aus der ganzen Umgebung, insbesondere aber natürlich von uns jüngeren Christen aus dem Düsseldorfer Jesushaus. 
   Ich denke unwidersprochen behaupten zu können, dass er wirklich wegen seiner großzügigen und besonnen-humorvollen Art ausgesprochen beliebt war. 
    Ich selber schätzte ihn als eine Art väterlichen Freund und hingebungsvollen Bruder im Glauben. Mit ihm habe ich stundenlange geistreiche Gespräche geführt, ohne das mir dabei je langweilig wurde.
Als ich nun von Bremen kommend mich wieder in eines von Huberts Gästezimmer einquartiert hatte, fiel augenblicklich alle Last der vorhergehende Monate von mir ab. Es hatte etwas von wieder daheim zu sein. 
    
Nach fünf erholsamen Tagen mit vielen Gesprächen und einigen Spaziergängen, aber auch Begegnungen mit anderen Christen, war nun der Zeitpunkt für die Weiterfahrt nach Erzhausen zur Bibelschule gekommen. Ich verspürte keine große Lust dazu, aber es musste halt sein.
    Am Frühstückstisch machte mir Hubert plötzlich einen überraschenden Vorschlag: „Du, ich habe mir heute Nacht überlegt, dass ich dich dort hinfahren könnte. Dann fahren wir nach deinem Gespräch gleich wieder zurück und du bleibst noch einen Tag länger hier, bevor du dann übermorgen mit der Bahn nach Bremen zurückfährst.“ 
    Ich schaute ihn verblüfft an: „Das willst du wirklich für mich tun?“ Er lachte: „Aber klar doch! Meine Bäume können ruhig einen Tag warten!“ Zum besseren Verständnis: Er beschäftigte sich experimentell mit Methoden zur Bekämpfung des Waldsterbens.
    Und so fuhren wir gleich nach dem Frühstück los in Richtung Erzhausen.
Nach einem Zwischenstopp in Frankfurt erreichten wir kurz vor 15 Uhr das Bibelschulgelände. Während Hubert im Wagen sitzen blieb, betrat ich wenig später das Sekretariat und wurde von dort in Bruder Krügers Büro geleitet. 
    Aber was war das? Dort saß Bruder Krüger mit den vier anderen hauptamtlichen Lehrern an einem Tisch. Und alle schauten nun in meine Richtung.
     „Hallo! Setz dich!“ sagte Bruder Krüger freundlich, und wies auf den noch freien Stuhl am Tisch. Ich grüßte kurz zurück, setzte mich und blickte erwartungsvoll in die Runde.
Du wunderst dich sicher, dass ich die anderen Lehrer auch zu diesem Gespräch gebeten habe“, begann Bruder Krüger. In der Tat fragte ich mich das. „Das hat einen besonderen Grund und ich will da jetzt auch nicht lange herumreden. Die Beurteilung deines Gemeindepraktikums ist sehr schlecht ausgefallen. Pastor G. hält dich für das Pastorenamt für ungeeignet.“ 
    Das war ein wirklicher Schock. „Ach, tatsächlich?“ entgegnete ich, „schon seltsam, dass er dies mit keiner Silbe in unserem Abschlussgespräch mir gegenüber erwähnt hat. Da klang es für mich eher so, dass er - mit Anstrichen - durchaus zufrieden gewesen wäre.“
     „Es ist nicht nur Pastor G., auch Heinz B., der Leiter der Heimstätte, ist ähnlicher Ansicht!“ Also auch du, Brutus! Ich schwieg aber und Bruder Krüger fuhr fort: „Wir haben die Sache jetzt im Lehrerkollegium beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir aufgrund deiner ausgezeichneten schulischen Leistungen über eine gewisse erkennbare psychische Labilität hinweggesehen haben. Kurzum, wir raten dir von der Bibelschule abzugehen. 
    Aber, da wir dir vor Bremen eine feste Rückkehrzusage gegeben haben, fühlen wir uns daran jetzt auch gebunden. Die Entscheidung liegt nun ganz alleine bei dir.“

Während Bruder Krüger geredet hatte, war mir plötzlich wieder die innere Stimme aus der Arche eingefallen. Augenblicklich wurde mir klar, dass ich damals genau auf diesen Moment vorbereitet worden war.

     Ich schaute Bruder Krüger an und sagte: „Wenn ihr der Ansicht seid, dass ich die Schule verlassen soll, dann machen wir es so!“
Bruder Krügers Gesichtszüge entspannten sich erkennbar: „Also, jetzt bin ich doch etwas überrascht. Wir hatten mit härterem Widerstand gerechnet!“ 
    Und fügte dann hinzu: „Bitte, versteh uns nicht falsch! Persönlich haben wir wirklich nichts gegen dich, aber wir haben hier auch eine große Verantwortung. Das Pastorenamt erfordert hohe Belastbarkeit, und die sehen wir nun mal bei dir nicht. Die Wahrscheinlichkeit eines späteren Scheiterns - nach unserer Einschätzung - ziemlich groß.“

Und so kam es, dass ich wenig später meinen Koffer aus meinem nun ehemaligen Bibelschulzimmer holte und ihn Richtung Huberts Wagen schleppte. Mein großer Traum war ausgeträumt!

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