Die
Aufenthalte ins Huberts Haus in St. Tönis gehören mit zu den
glücklichsten Zeiten in meinem Leben. Hubert, ein berenteter
Geologe, hatte sich erst spät zum christlichen Glauben bekehrt und
war am gleichen Tag wie ich getauft worden.
Er
war mit seinen 70 Jahren von ausgesprochen rüstiger Natur und voller
Tatendrang. Vor allen Dingen aber war er der Ansicht, dass sein Haus
für einen alleine viel zu groß sei. Und so wurde es zu einem
beliebten Treffpunkt für Christen aus der ganzen Umgebung,
insbesondere aber natürlich von uns jüngeren Christen aus dem
Düsseldorfer Jesushaus.
Ich
denke unwidersprochen behaupten zu können, dass er wirklich wegen seiner großzügigen und besonnen-humorvollen Art ausgesprochen beliebt war.
Ich selber
schätzte ihn als eine Art väterlichen Freund und hingebungsvollen
Bruder im Glauben. Mit ihm habe ich stundenlange geistreiche
Gespräche geführt, ohne das mir dabei je langweilig wurde.
Als
ich nun von Bremen kommend mich wieder in eines
von Huberts Gästezimmer
einquartiert hatte, fiel augenblicklich alle Last der vorhergehende
Monate von mir ab. Es hatte etwas von wieder daheim zu sein.
Nach
fünf erholsamen Tagen mit vielen Gesprächen und einigen
Spaziergängen, aber auch Begegnungen mit anderen Christen, war nun
der Zeitpunkt für die Weiterfahrt nach Erzhausen zur Bibelschule
gekommen. Ich verspürte keine große Lust dazu, aber es musste halt
sein.
Am
Frühstückstisch machte mir Hubert plötzlich einen überraschenden
Vorschlag: „Du, ich habe mir heute Nacht überlegt, dass ich dich
dort hinfahren könnte. Dann fahren wir nach deinem Gespräch gleich wieder zurück und du bleibst noch einen Tag länger hier,
bevor du dann übermorgen mit der Bahn nach Bremen zurückfährst.“
Ich
schaute ihn verblüfft an: „Das willst du wirklich für mich tun?“
Er lachte: „Aber klar doch! Meine Bäume können ruhig einen Tag
warten!“ Zum
besseren Verständnis: Er beschäftigte sich experimentell mit
Methoden zur Bekämpfung des Waldsterbens.
Und
so fuhren wir gleich nach dem Frühstück los in Richtung Erzhausen.
Nach
einem Zwischenstopp in Frankfurt erreichten wir kurz vor 15 Uhr das
Bibelschulgelände. Während Hubert im Wagen sitzen blieb, betrat ich
wenig später das Sekretariat und wurde von dort in Bruder Krügers
Büro geleitet.
Aber
was war das? Dort saß Bruder Krüger mit den vier anderen
hauptamtlichen Lehrern an einem Tisch. Und alle schauten nun in meine
Richtung.
„Hallo!
Setz dich!“ sagte Bruder Krüger freundlich, und wies auf den noch
freien Stuhl am Tisch. Ich grüßte kurz zurück, setzte mich und
blickte erwartungsvoll in die Runde.„Du
wunderst dich sicher, dass ich die anderen Lehrer auch zu diesem
Gespräch gebeten habe“, begann Bruder Krüger. In der Tat fragte
ich mich das. „Das hat einen besonderen Grund und ich will da jetzt
auch nicht lange herumreden. Die Beurteilung deines
Gemeindepraktikums ist sehr schlecht ausgefallen. Pastor G. hält
dich für das Pastorenamt für ungeeignet.“
Das
war ein wirklicher Schock. „Ach, tatsächlich?“ entgegnete ich,
„schon seltsam, dass er dies mit keiner Silbe in unserem
Abschlussgespräch mir gegenüber erwähnt hat. Da klang es für mich
eher so, dass er - mit Anstrichen - durchaus zufrieden gewesen wäre.“
„Es
ist nicht nur Pastor G., auch Heinz B., der Leiter der Heimstätte,
ist ähnlicher Ansicht!“ Also auch du, Brutus! Ich
schwieg aber und Bruder Krüger fuhr fort: „Wir haben die Sache jetzt im
Lehrerkollegium beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir
aufgrund deiner ausgezeichneten schulischen Leistungen über eine
gewisse erkennbare psychische Labilität hinweggesehen haben. Kurzum,
wir raten dir von der Bibelschule abzugehen.
Aber,
da wir dir vor Bremen eine feste Rückkehrzusage gegeben haben,
fühlen wir uns daran jetzt auch gebunden. Die Entscheidung liegt nun
ganz alleine bei dir.“
Während Bruder Krüger geredet hatte, war mir plötzlich wieder die innere Stimme aus der Arche eingefallen. Augenblicklich wurde mir klar, dass ich damals genau auf diesen Moment vorbereitet worden war.
Ich
schaute Bruder Krüger an und sagte: „Wenn ihr der Ansicht seid,
dass ich die Schule verlassen soll, dann machen wir es so!“
Bruder
Krügers Gesichtszüge entspannten sich erkennbar: „Also, jetzt bin ich doch
etwas überrascht. Wir hatten mit härterem Widerstand gerechnet!“
Und fügte dann hinzu: „Bitte, versteh uns nicht falsch! Persönlich
haben wir wirklich nichts gegen dich, aber wir haben hier auch eine
große Verantwortung. Das Pastorenamt erfordert hohe Belastbarkeit,
und die sehen wir nun mal bei dir nicht. Die Wahrscheinlichkeit eines
späteren Scheiterns - nach unserer Einschätzung - ziemlich groß.“
Und so kam es, dass ich wenig später meinen Koffer aus meinem nun ehemaligen Bibelschulzimmer holte und ihn Richtung Huberts Wagen schleppte. Mein großer Traum war ausgeträumt!
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